Die Dekoration des Schloßtheaters
Gleichzeitig mit dem Bau
des Theatersaales des Schloßtheaters in Český Krumlov wurden
Theaterdekorationen angeschafft. Die Literatur verzeichnete
aufgrund von Quellen eine Nachricht über Verhandlungen des Fürsten
Josef
Adam zu Schwarzenberg mit dem bekannten Freskenmaler und Maler
von Architekturen Josef Hager. Der sonst unbekannte Jan Marchard
schreibt am 9. Januar 1766 an den Fürsten, daß er ihm drei
Zeichnungen dieses Malers für das Krumlover Theater schickt, die
ein Portal, die Dekoration des Saales und Zimmer darstellen.
Gleichzeitig benachrichtigte er den Fürsten, daß der Maler an den
übrigen Entwürfen arbeite und daß er für sämtliche vereinbarte
Arbeiten 4.000 Gulden inklusive der Farben und der Versorgung der
Gehilfen fordere. In den zwei darauffolgenden Wochen beendete Hager
dann noch den Entwurf des Bühnenvorhanges und den Entwurf der
Dekoration einer Kirche, eines Kerkers und begann am Entwurf der
Gartendekoration zu arbeiten. Der Fürst erhielt aber wahrscheinlich
inzwischen ein günstigeres Angebot von zwei Wiener Malern von
Theaterdekorationen, mit welchen er am 18. Januar 1766 einen
Vertrag abschloß. Der Maler Hager, dessen Entwürfe nicht realisiert
wurden, erhielt für die bisher angefertigten Skizzen und für den
Weg nach Krumlov eine Entschädigung von 24 Dukaten.
Die beiden erwähnten Wiener Maler, die berufen wurden, um die Krumlover Theaterdekoration zu schaffen, waren die Hofmaler Hans Wetschl und Leo Märkel, die sich im erwähnten Vertrag verpflichteten, für 2.000 Gulden einen Theatervorhang und Bühnenbilder, die einen Wald, einen Garten, ein Kabinett, eine Gasse, einen Kerker, einen Seehafen und ein Heerlager darstellen, anzufertigen. Der Verlauf ihrer Arbeiten kann archivarisch verfolgt werden vom Januar 1766, als sie nach Krumlov kamen, bis zum Februar 1767, als sie eine neue Aufgabe erhielten, nämlich das Bühnenbild eines gewöhnlichen Zimmers und "eines Saales, der rückwärts mit der Kirche verbunden werden kann", anzufertigen.
Beide Künstler knüpfen in diesem ihrem Werk an die Tradition der Wiener Theaterkunst der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts an, besonders an das Werk von Giuseppe Galli-Bibiona, das ihnen in manchen Fällen als direktes Beispiel und als Vorlage diente.
Im Schloßtheater in Český Krumlov sind nicht nur der ursprüngliche Vorhang, sondern sämtliche Theaterdekorationen, die die Maler Wetschl und Märkl für diese Szene schufen, in seltener ikonographischer Vollständigkeit und Gesamtheit erhalten.
Am Vorhang können wir eine allegorische Gruppe sehen, die auf die Mittelachse mit dekorativem Rahmen, mit der Eingliederung von Musikemblemen und der zentralen Szene komponiert ist. Sie stellt die Apotheose der freien Künste mit Pallas Athene dar, die einen Kranz auf einen Obelisk legt, um welchen Putten leicht schweben, die die Astrologie, Mathematik, Geometrie und Geographie darstellen.
Alle Exterieurszenen knüpfen in der Perspektive an die Architektur des Prosceniums und des Bühnenportales an. Dadurch wird ein glatter Übergang zwischen dem Zuschauerraum und der Bühne geschaffen und somit die völlige Einheit dieser Räumlichkeiten (Bühne des Schloßtheaters). Es wird so ein einheitlicher, gleichmäßig durchleuchteter Theaterraum gebildet, ganz im Geiste des Höhepunkts des Barockillusionismus. Die Tiefenabstufung des Raumes wird erzielt durch ein System von flachen Seitenkulissen, die in die Tiefe der Bühne in Richtung zum gemalten Prospekt verlaufen, der den Raum optisch und inhaltlich abschließt. Den Bildern der Exterieure sind Suffiten von Himmel und Wolken gemeinsam. Die einzelnen Szenen kann man durch kleine Instandsetzungen oder das Auswechseln der rückwärtigen Prospekte noch in weitere Bilder verwandeln.
Die einzelnen Exterieurdekorationen :
1) Die Szene des Waldes setzt sich zusammen aus fünf Paaren von Seitenkulissen mit der Malerei von wild verschnörkelten Bäumen, die sich auch auf dem rückwärtigen Prospekt geltend machen mit Durchblick in eine malerische Waldlandschaft und einem Brücklein über den Bach.
2) Die Szene des Gartens hat eine achsenförmige Lösung: an den Seitenkulissen wechseln symmetrisch und regelmäßig laut Prinzip der französischen Architektur Zypressen und Vasen, Plastiken, gemalte Portiken, Lauben und Fontänen. Die Szene wird abgeschlossen von einem Prospekt mit dem Bild eines Beeteparterres mit Statuen und drei Glorietten. Zu der Gartenszene gehören noch eine Fontäne und Zypressen, umwunden von Blumengirlanden, und weiter Zitrusbäume und Orangenbäume mit transparenten Früchten.
3) Die Szene der Stadt wird auf geläufige Weise gebildet durch vier Paare von Seitenkulissen mit verschiedenartig architektonisch gestalteten Häusern. Der rückwärtige Prospekt stellt einen kleinen Platz mit einem obeliskförmigen Brunnen dar, einem Eckpalast und einem Paar von niedrigen einstöckigen Giebelhäusern gebildeten Gassen, die in die Winkel des dargestellten Raumes verlaufen, wo sich auf dem Hintergrund über den Hausdächern die Türme und Dächer einer gotisierenden Stadt und einer Barockkirche abzeichnen.
4) Die Szene des Heerlagers weist eine größere Farbigkeit und eine wärmere Farbenskala auf als die vorherigen Exterieurdekorationen .An den Seitenkulissen sind einige Reihen von Zelten mit zwiebelförmigen Kuppeln abgebildet, verschiedene Bestandteile der Heeresausrüstung mit Kriegsmaschinen. Auf dem Prospekt wurde eine weite Ebene mit einem Heerlager eingefangen, im Hintergrund mit einer Stadt und mit Bergen.
5) Die Szene der Belagerung einer Stadt entstand durch Ergänzung der Lagerszene durch Befestigungsmauern mit Bastionen und einem Tor.
6) Die Szene des Hafens bildete ein Prospekt mit Meeresbucht und Leuchtturm mit verstreuten Häusern auf einem felsigen Ufer. Sie hatte nur ein einziges Paar rückwärtiger Kulissen, wovon sich nur das linke Stück erhalten hat, das das Hinterdeck eines Segelschiffes mit wehenden Wimpeln darstellt. Im Vordergrund wurde diese Szene mit einer anderen Dekoration kombiniert, entweder mit den Kulissen des Heerlagers oder des Waldes u.ä. Zur Dekoration des Meeres gehörten viele kleinere Ergänzungen, von welchen einige erhalten geblieben sind (Boote, gemalt auf flachen Ständern, "ein Hai", was die Bezeichnung für den hellblauen Delphin mit einem rosaroten Schnäuzchen ist, niedrige ausgeschnittene Bändchen von Wellen und niedrige Ständerbarrieren, die in zwei breiten Bändern einen flachen ansteigenden Abhang darstellen, bewachsen mit Weinreben mit transparenten Trauben).
Jede der Interieurdekorationen hatte immer eigene Suffiten, die eine Decke darstellten, passend zum Gepräge eines jeden Raumes.
7) Die Szene eines bürgerlichen Zimmers hat an den Seitenkulissen Wände, gegliedert durch mächtige Pilaster mit Kapitellen, an denen ein Spiegel oder ein Bild gemalt ist und wo die Bänder der Kassettendecke zusammenlaufen. Die Wände haben durchbrochene Fenster oder Türen, der rückwärtige Prospekt hat in der Mitte eine geöffnete Tür, die einen weiteren Raum freigibt, und an den Seiten zwei Nischen mit Öfen und einem Kabinett.
8) Die Szene des Kabinetts ist der vorherigen Dekoration ähnlich durch dieselbe auf die Achse konzentrierte Anordnung. An den Seitenwänden, gegliedert durch flache Pilaster mit Ornamenten, die auf Volutenkonsolen eine gegliederte flache Decke mit Deckenmalerei tragen, sind hohe Fenster eingebrochen. Auf dem rückwärtigen Prospekt sind an den Seiten symmetrisch gelöste Portale mit Rokokoornamenten über den Simsen, in der Mitte eine von Fenstern beleuchtete Nische, mit einem Tischchen in der Mitte. Diese Szene weist eine größere Farbigkeit auf unter Benützung der gelben und rosaroten Farbe und mit komplizierteren Formen der gemalten Architektur.
9) Die Gefängnisszene ist bedeutend komplizierter als die beiden erwähnten Dekorationen und wird im schiefen Winkel aufgenommen (die sog. Winkelperspektive, maniera di vedere le scene per angolo) im Aussehen eines gewölbten Gefängnissaales mit Folterwerkzeugen, sich öffnend durch eine Arkade mit zwei Spitzbogen aus dem helleren Vorraum und auf die Treppe. Es handelt sich gleichzeitig um die kleinste Szene, sie wird gebildet von nur zwei Paaren von Seitenkulissen. Demgegenüber ist
10) die Szene des festlichen Saales das tiefste szenische Bild. Sie wurde gelöst als repräsentativer anspruchsvoller zentraler Raum eines Feudalsitzes. Sie zeigt den Durchblick durch einen tiefen Raum, wo die Seitenkulissen die Teile der Architektur darstellen mit gedrehten Säulen aus blauem Marmor mit Statuen und Vasen. Auf den kompliziert profilierten Simsen ruht eine plastische Kassettendecke. Eine zweite Variante dieser Dekoration bezeichnet ein Brief des Fürsten vom Februar 1767 als Dom, die Schildchen bei den Manipulationsseilen haben die Bezeichnung "der tiefe Saal". Er wird charakterisiert nur durch eine Veränderung im rückwärtigen Teil der Szene mit dem komplizierten Gebilde einer gemalten Kuppel auf zwei übereinander gerafften Vorhängen, getragen von Pfeilern und entwickelten Säulen, dargestellt durch ein Paar flacher Ständer und beendet im Hintergrund durch eine halbkreisförmige Apsis.
Die Frage der künstlerischen Orientierung und die vorherigen Tätigkeiten beider angeführten Maler der Krumlover Dekoration bleibt vorerst durch archivalische Quellen ungeklärt. Aufgrund des Vergleichs der Stile steht ohne Zweifel fest, daß sie zum Wiener Barockkreis gehören und daß sie vor allem an das Werk des bedeutendsten Szenographen seiner Zeit Giuseppe Galli-Bibiena anknüpfen.
Die Dekorationen des
Gartens, der Gasse, des Seehafens, des Kabinetts und des Kerkers
weisen einige Stilähnlichkeiten mit seinen Arbeiten eher in
Einzelheiten auf, wogegen bei weiteren die Abhängigkeit viel enger
ist, ja in manchen Fällen kann man sogar von einer direkten Vorlage
sprechen. Besonders geschöpft wurde aus Bibienas graphischer Serie
"Architettura e prostettiva", die Szene des Heerlagers ist
offensichtlich eine Modifikation der Dekoration eines
Etruskenlagers des G.Galli Bibiena für die Krönungsvorstellung der
Oper von J.J.Fux "Constanza e Fortezza" aus dem Jahre 1723 auf dem
Hradschin. Der Entwurf weist aber noch weiter zurück zur szenischen
Dekoration eines Heerlagers, welches ein Werk von Bibienas Vater
Ferdinand und C. Nic. Servandoni ist. In diesem Zusammenhang muß
man auch auf die enge Verbindung mit dem Entwurf der Dekoration
eines Heerlagers vom Schloß Jaroměřice nad Rokytnou aufmerksam
machen, der G.Galli Bibiena zugeschrieben werden kann.
(om)