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Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Restaurierung der Renaissancewandmalereien


Das Gebäude der Kleinen Burg mit dem anliegenden Schlossturm auf dem II. Schlosshof wird für den ältesten Teil der Krumauer Burg gehalten (Schloss Český Krumlov in der Zeit der Gotik). Es wird vorausgesetzt, dass die Kleine Burg von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Bau der neuen Oberen Burg Sitz des Krumauer und später des rosenbergischen Zweigs des Geschlechtes der Wittigonen war. Die heutige Gestalt der Kleinen Burg mit dem Turm ist Ergebnis des Renaissanceumbaus aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, der wahrscheinlich von Baldassare Maggi z Arogna entworfen wurde, der damals in den Diensten Wilhelms von Rosenberg wirkte.1) (Renaissanceumbauten des Schlosses Český Krumlov)

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Bau des Gerüstes bei der Restaurierung der Südfassade, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998 Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Bau des Gerüstes bei der Restaurierung der Fassade in den II. Schlosshof, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998

Mit ihrem Prunk, ihrer dominanten Lage und ausgezeichneten Malerausschmückung erweckte die Renaissancegestalt der Kleinen Burg von Anfang an beträchtliche Aufmerksamkeit.

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Fassade nach der Restaurierung, die einzelnen Typen der Malerausschmückung ersichtlich: illusionistische Architektur, Putti, stehende historische Gestalten in den Nischen zwischen den Fenstern, männliche und weibliche Köpfe in den Lünettengesimsen, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998 Oft wird in diesem Zusammenhang an die lobende Bewertung des rosenbergischen Archivars Václav Březan (+1618) erinnert: "item auf dem Schloss also die sehr zierliche Kleine Burg und der Turm dabei rund, schön und anmutig, seinesgleichen dieser Art und Lage gibt es in Böhmen nicht."2) Im Prinzip gleich günstig bewertet die Kleine Burg mit ihrer Malerausschmückung auch die moderne Zeit.3)

Die Restaurierung der Wandmalereien an den Fassaden der Kleinen Burg knüpfte im Jahr 1995 an die Erneuerung des Schlossturms an und wurde 1998 zu Ende gebracht. Im voraus wurden Untersuchungen und ikonografische Analysen bearbeitet 4), die zur Entscheidung über die Konzeption der Restaurierung notwendig waren. Die bauhistorische Untersuchung und die Untersuchung der Archivquellen bezeigten überenstimmend, dass mindestens bereits seit der Zeit der Spätgotik die Kleine Burg nur zu Lagerzwecken diente und dass sie diese Funktion überraschend auch nach dem umfangreichen Renaissanceumbau und der großzügigen Malerausschmückung der Fassade behielt.

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes, Im Jahr 1462 ersucht zum Beispiel Herrscher Johann von Rosenberg den Krumauer Burggrafen, dass er seiner Schwester Anežka " die kleine Orgel in der Kleinen Burg in der kleineren Kammer mit einem Gebläse und mit vergoldeten Röhren" schicken soll. 5) Im Inventar aus dem Jahr 1545 wird geschrieben: In der Kleinen Burg dieses ist: 284 Lanzen, 226 Partisanen...625 Eimer Roggen auf einem Boden und Erbsen woanders." 6) Ähnliche Eintragungen sind auch in Inventaren aus dem Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts zu lesen.

Gegenüber der relativ zuverlässig bewiesenen Weise der Nutzung des Gebäudes der Kleinen Burg blieb die ikonografische Interpretation ihrer Malerausschmückung eine geöffnete Frage. Einige Forscher vermuteten, dass die Ausschmückung der Kleinen Burg eine symbolische oder allegorische Bedeutung hat. Einer der Autoren konstatiert zum Beispiel, dass es "im Falle der Fresken der Kleinen Burg möglich ist, die Darstellung der Herrscher der irdischen Welt zu bedenken, auf dem Lünettengesims mit illusionistischen Büsten berühmter Persönlichkeiten gekrönt, die mit ihrem Ruf schon an die Grenze der göttlichen Sphäre gerieten."7)

Andererseits gibt es eine Ansicht, dass die Aufgabe der Maler war nur illusionistisch architektonisch und dekorativ die sonst relativ strengen Fassaden der Kleinen Burg fertig zu gestalten. Die Figuren, deren Bedeutung nicht klar ist, bilden dabei eine wesentliche Komponente der Malerausschmückung der Kleinen Burg. Die Untersuchung belegte teilweise direkt und leitete teilweise aufgrund der wiederholten Motive ab, dass in den Lünetten des Hauptgesimses 54 Männer- sowie Frauenköpfe, in großen Nischen zwischen den Fenstern der beiden Stockwerke 31 stehende Figuren in Überlebensgröße, über den Fenstern des ersten Stockwerks 12 Putti in mäßig Unterlebensgröße und über dem Sockelteil 21 Büsten in Muschelnischen gemalt wurden.

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes, Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes,

Bei der Entscheidung über eine verbindliche Konzeption 8) der Restaurierung wurden drei grundlegende mögliche Zugangsweisen abgewogen:

  1. Konservierung der erhaltenen Renaissanceputze und -malereien mit Ergänzung der neutral getönten Putze auf den Stellen, wo die ursprünglichen nicht erhalten blieben.

  2. Restaurierung der erhaltenen Malereien und anschließende Malerrekonstruktionen der sich wiederholenden architektonischen Motive auf den Stellen, wo die ursprünglichen Malereien nicht erhalten blieben. Figuralmotive würden nicht rekonstruiert werden.

  3. Restaurierung der erhaltenen Malereien und gesamte Rekonstruktion der architektonischen sowie figuralen Motive auf den Flächen, wo die ursprüngliche Malerei nicht erhalten blieb.

Bei jeder dieser Varianten kamen Modifikationen in Frage. Im ersten Fall wäre es möglich, über den Rahmen einer bloßen Konservierung in begründeten Fällen lokale oder nachahmende Retuschen der erhaltenen Malereien zur Geltung zu bringen. Bei der zweiten und dritten Variante würde das Maß der Retuschen des Originals und die dementsprechende Formdurcharbeitung und Farbintensität der Rekonstruktionen ermessen werden.

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes, Lünetten des Hauptgesimses mit einer Abbildung

Nach der Bewertung der Restaurierungsuntersuchung und der nachfolgenden Konsultationen aller beteiligten Fachleute wurde als verbindliche Konzeption die dritte Variante gewählt. Während der Diskussionen überwog nämlich allmählich die Meinung, dass die Grundstruktur der Malerausschmückung der Kleinen Burg, die in einer rhythmischen Wiederholung der architektonischen und figuralen Elemente liegt, zuverlässig erkannt wurde, und dass die Rehabilitation ihrer ästhetischen und illusionistisch architektonischen Funktion erwünscht ist, sowohl hinsichtlich des architektonischen Ausdrucks der Kleinen Burg, als auch mit Rücksicht auf den bildenden Kontext mit dem erneuerten Turm und den malerisch behandelten Fassaden im Areal des Schlosses. Die problematische Frage der figuralen Komponente der Malereien wurde mit einem Kompromiss gelöst. Die Figuren wurden in die Rekonstruktionen als illusionistisch bildhauerische Elemente der Ausschmückung eingegliedert, deren Abwesenheit die grundlegende formale Struktur des Werkes völlig zerstören würde. Nachdruck wurde auf die formale Seite gelegt, d. h. auf überzeugende Evokation der Typik der Renaissancefiguren, Gesten und Kostümen, während auf den Inhalt der Figuralmotive die Autoren der Konzeption verzichteten, jedoch ohne eine weitere Untersuchung in dieser Richtung zu problematisieren.

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Restaurator J. Severa bei der Arbeit an der Erneuerung der Wandmalerei, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998 Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Restauratoren Říhas und Novotný bei der Arbeit an der Rekonstruktion der Wandmalerei, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998

Die Restaurierung erfolgte so, dass an den Fassaden der Kleinen Burg allmählich eine Restaurierungsuntersuchung durchgeführt wurde, die später bei den einzelnen Etappen der Restaurierung aktualisiert wurde. Die Arbeiten begannen an der besterhaltenen südlichen Fassade im Jahr 1995. An der Südseite blieben die Malereien im Umfang von fast 2/3 der Fassadenfläche erhalten. Die Restauratoren restaurierten hier zuerst ursprüngliche Malereien, deren erhaltener Zustand mit minimalen Retuschen Maßstab für die Form- und Farbintensität der Rekonstruktionen war. Für die figuralen und einige illusionistisch architektonische Rekonstruktionen wurden Kartons 1:1 vorbereitet, die vor der Durchführung der Malereien kommissionell gebilligt wurden. Ähnlich wurde an der östlichen Fassade verfahren. An der westlichen und nördlichen Fassade wurden wegen einer komplizierteren Situation zuerst bildende Entwürfe für die ganze Fassade in einem kleineren Maßstab vorbereitet. Erst nach ihrer Billigung wurden allmählich die einzelnen Kartons geschaffen, wie es im Falle der südlichen und östlichen Fassade war. 9)

Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes, Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Detail der Wandmalerei an der Fassade des Objektes,

Die Ergebnisse der Untersuchungen und die während der Restaurierung bei einem unmittelbaren Kontakt mit ursprünglichen Malereien gewonnenen Erkenntnisse werden zur Zeit ausführlich ausgewertet und werden Gegenstand einer selbstständigen umfangreicheren Studie sein. Bisher können nur vorläufige Beschlüsse gemacht werden: Eine wesentliche Feststellung ist die Tatsache, dass die Fassade der Kleinen Burg wahrscheinlich nie eine Gesamtrenovierung durchmachte, die die Interpretation der erhaltenen Malereien ernst komplizieren würde. Das einzige Problem bleibt deshalb auch weiterhin der bruchstückhafte Zustand des Originals, der durch natürliches Altwerden der Fassade verursacht wurde. Im Zusammenhang mit dem diskutierten ikonografischen Programm der Malereien ist zu konstatieren, dass es nirgends an der Fassade gelang eine einzige Aufschrift oder Attribut zu erfassen, die die Figuren näher ikonografisch bestimmen würden. Diese Tatsache ist beim Vergleich mit formal verwandten Malerwerken aus der Renaissancezeit befremdend und unterstützt nicht zu viel die Interpretationen der Malereien auf der Kleinen Burg, die ihr besonderes ikonografisches Programm erwägen. Als wichtig zeigt sich auch die Feststellung, dass die Köpfe in den Lünetten des Hauptgesimses oft offenbar karikierte Züge haben und dass sich einige sogar wiederholen. Diese Erkenntnis stellt die Ansicht ernst in Frage, dass die Bilder in den Lünetten "Büsten berühmter Persönlichkeit darstellen, die dank ihrem Ruf bis an die Grenze der göttlichen Sphäre gerieten." 10)

Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Fassade nach der Restaurierung, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998 Schloss Nr. 59 - Kleine Burg, Fassade über dem Bärengraben nach der Restaurierung, Foto: Ing. Ladislav Pouzar, 1998

Kommt in diesen Zusammenhängen die Tatsache in Frage, dass die Kleine Burg in der Zeit vor sowie nach dem Renaissanceumbau als Lager diente, wird es wohl möglich sein auch das zu bedenken, dass die Wahl der Malerausschmückung der Kleinen Burg einen viel mehr prosaischen Hintergrund hatte, als bisher worausgesetzt wurde. Es ist zu vermuten, dass die Hauptaufgabe der Maler war relativ schnell und billig das sonst strenge Gebäude der Kleinen Burg zu verschönern und illusionistisch architektonisch fertig zu gestalten. Die Maler nutzten dabei reich das zeitgenössische Repertoire der illusionistisch architektonischen und figuralen Motive, das in häufig benutzten Musterbüchern zur Verfügung stand, und das sich die Maler bei vorherigen Aufträgen bravurös aneigneten. Das Konzept der Ausschmückung konnten der Architekt des Renaissanceumbaus der Kleinen Burg oder die Maler selbst entwerfen. Diese Erwägungen sind jedoch nur vorläufig und sind noch durch weiteres Studium zu bestätigen.

(pp)

Anmerkungen :

  1. Informationen über die Bauentwicklung der Kleinen Burg sind zusammengefasst in: Jan Muk, Luboš Lancinger, Český Krumlov, Stavebně historický průzkum č.p.59 Hrádek, Praha 1990, Maschinenschrift, aufbewahrt im Büro des Schlossdirektors Č.Krumlov, Jarmila Krčálová, Renesanční stavby Baldassara Maggiho v Čechách a na Moravě, Praha 1986.

  2. Václav Březan, Životy posledních Rožmberků I,II, Editor J. Pánek, Praha 1985.

  3. Zu Wandmalereien der Kleinen Burg siehe: Jarmila Krčálová, Renesanční nástěnné malby zámku v Českém Krumlově, in: Umění, XVI, 1968, S. 357 - 379. Jan Müller, Zámecká sídla, in: Dvory velmožů s erbem růže, Praha 1997.

  4. Jan Muk, Luboš Lancinger, zit. Werk in Anm. 1. Restaurátorský průzkum Hrádku, Státní restaurátorské ateliéry, Praha 1987, Maschinenschrift im Archiv des Staatlichen Instituts für Denkmalpflege in Č. Budějovce. Novotný Josef und Petr, Říha Jiří und Vladimír, Severa Jan, Průzkum nástěnných maleb na fasádě Hrádku, 1995, Archiv des Staatlichen Instituts für Denkmalpflege in Č. Budějovice, Archivnr. 1474, 1475. Anna Kubíková, Archivní průzkum pro Hrádek v areálu českokrumlovského hradu a zámku, undatiert, Maschinenschrift im Archiv des Staatlichen für Denkmalpflege in Č. Budějovice. Jan Müller, Nástin ikonografie Hrádku českokrumlovského zámku, Č. Krumlov 1995, Maschinenschrift im Archiv des Staatlichen Instituts für Denkmalpflege in Č. Budějovice.

  5. Siehe: Anna Kubíková, zit. Werk in Anm. 4.

  6. Ebenda.

  7. Jan Müller, zit. Werk in Anm. 3, S. 34.

  8. Für die Konzeption und Denkmalaufsicht bei der Restaurierung sind Pavel Jerie, SÚPP Praha, und Mgr. Petr Pavelec, Staatliches Institut für Denkmalpflege in Č. Budějovice verantwortlich. In die Diskussion griffen weiter aktiv Dr. P. Slavko, Doz. V. Girsa und das ganze Restauratorenteam ein.

  9. Restauratorenberichte der Autoren J. Severa, V. Říha, J. Říha, J. Novotný und P. Novotný sind gemeinsam mit bildenden Entwürfen und Kartons im Archiv des Staatlichen Instituts für Denkmalpflege in Č. Budějovice aufbewahrt.

  10. Siehe zit. Werk in Anm. 3.

Weitere Informationen :
Schloss Nr. 59 - Kleine Burg
Schloss Nr. 59 - Schlossturm
Schloss Nr. 59 - Neue Burggrafschaft, Restaurierung der Wandmalereien
Schloss Český Krumlov in der Renaissancezeit
Renaissanceumbauten des Schlosses Český Krumlov
Bartoloměj Beránek - Jelínek
Erneuerung des Schlosses Český Krumlov in der Gegenwart und in den nächsten Jahren